Man muss kein Tiefseetaucher sein: Taucherbrille, Schnorchel und Flossen reichen aus, um im Meer eine verborgene Welt zu entdecken.
Okay, ein bisschen Geduld braucht es auch noch. Vielleicht, je nach Riff, sogar sehr viel Geduld. Mein Mann hat sie und jagte im März 2017 mit seiner Kamera nervöse Nemos, giftige Tintenfischchen, schwänzeltanzende Fisch-Kavaliere und nachts leuchtende Korallen.
Was sich unter dieser
sich unspektakulär gebenden Wasseroberfläche versteckt, zeige ich Euch auf einem kleinen Unterwasserspaziergang.
So präsentiert sich der Strand, an dem wir ins Wasser steigen, vom Meer aus:
Wir befinden uns auf der philippinischen Insel Bohol, 1000 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Manila.
Von der Schweiz aus braucht man ziemlich genau 24 Stunden, um im Küstenort Anda (ganz im Osten, nicht auf der Karte verzeichnet) anzukommen.
Das Wasser im Pazifik hat hier verdankenswerterweise 26 Grad, man kann also in Badehose und T-Shirt in die Fluten waten und benötigt keinen wärmenden Taucheranzug. Jedoch empfiehlt es sich, alle Körperteile, die nicht von Stoff bedeckt sind, mit Sonnencreme zu behandeln, sonst kommt man selber als Krebs wieder ans Ufer (ich habe es einst ausprobiert. Nie wieder!)
Und nun… … ….!
Well. Das Riff hier ist nicht grad das, was man “Kam, sah, siegte”-Riff bezeichnen würde. Zu viel Schaden wurde bereits angerichtet – durch klimatische Veränderungen und rücksichtslose Fischer. Auf den ersten Blick gibt es vor allem Algen, einen langweiligen Grasteppich und tote Korallen zu sehen. Etwas weiter draussen und den Felsen entlang jedoch …
Die Anemonenfische sind entzückend, aber es sind auch nervöse kleine Viecher. Kommt man in die Nähe ihres sich zart in der Strömung wiegenden Anemonen-Heims, schiessen sie wie kleine Pfeile daraus hervor, um kurz vor der Kollision mit dem gfürchigen Schnorchelmonster rechtsumkehrt zu machen und sich wieder in den Armen der Anemone zu verstecken und geschockt daraus hervorzuglotzen. Etwa 1 Sekunde lang. Dann beginnt das Spiel von vorne… Um einen Herzinfarkt bei den schnusigen Nemos zu vermeiden, paddeln wir weiter.
Die Landschaft unter Wasser ist voller Farben und Formen:
Ich liebe Fischnamen! Vor allem, wenn sie so sprechend sind wie etwa dieser hier:

Wie diese Fischchen heissen, weiss ich grad nicht. Wie wärs mit “Lemon Coloured Little Thing”? (Zitronenfarbiges kleines Ding)

Das sind Blue Damsels. Zu Deutsch: Saphir Riffbarsche (ja, die Übersetzungen sind manchmal etwas unabsehbar ;))
Hinter der Koralle versteckt sich rechts übrigens noch eine Checkerboard Wrasse (Schachbrett-Junker).

Feather Duster Worm oder Röhrenwurm – man sieht die Röhre am Ansatz. In der verschwindet er rasend schnell, wenn er merkt, dass was Grosses (z.B. ein Schnorchler) Wellen verursacht. Es macht quasi “Ka-Zoing”, und man guckt im wahrsten Sinne des Wortes nur noch in die Röhre.
Muränen sind ja bei weitem nicht so böse, wie sie aussehen. Dass sie in regelmässigen Abständen ihr Maul mit den Krokodilszähnen aufreissen, hat mehr mit ihrer Atmung zu tun als mit Angriffslust. Allerdings würde ich trotzdem Abstand halten – ich kenne eine ehemalige Tauchlehrerin, der eine Muräne ein Stück Fleisch aus dem Zeigefinger gerissen hat. Die Tauchlehrerin hatte direkt vor der Nase des Tiers “guzi-guzi” gemacht und mit dem Finger herumgefuchtelt…
Nemos und diese Garnelen sind gegen den giftigen Schleim, den die Anemonen absondern, immun.
Die Feilenfische sind sowas von platt – also wenn man diesen kleinen Kerl von hinten sieht, ist er schmaler als eine Hand.
Die beiden Fischchen auf dem oberen Bild bilden vermutlich ein Pärchen, jedenfalls war das obere gerade mit einer Art Balztanz beschäftigt, weshalb es seine Rückenflosse aufstellte und um das vordere herumscharwenzelte. So herzig.
Jetzt aber etwas nur für starke Nerven.
Diesen Einsiedlerkrebs (kaum fingerlang) konnten wir dabei beobachten, wie er versuchte, den Mieter der Muschel (man sieht die weisse Schere) aus seinem Versteck zu pulen (linkes Bild). Vermutlich nicht, um selber in die Muschel einzuziehen, denn dafür ist sie zu klein, nein, es ging eher um einen Snack. Sowas muss, wenn man attackiert wird, schon sehr unangenehm sein… Rechts sieht man denselben Einsiedlerkrebs einen Tag später. Jetzt sieht er allerdings satt und zufrieden aus. Die kleine Muschel war nicht mehr zu finden.
Das hier, das ist ein- und dasselbe Tier im Abstand von einer halben Minute. Der “Flamboyant Cuttlefish” (zu deutsch “flammende Sepia”) ist nur sechs Zentimeter lang, hat’s aber drauf wie die grossen. Ausserdem ist sein Fleisch giftig, weshalb niemand auf die Idee kommt, ihn zu essen. Ihn beim Schnorcheln zu entdecken, braucht ein geübtes Auge. Wie gesagt, er hat’s drauf, und er passt sich seiner Umgebung perfekt an.

Nun wieder etwas Gemütlicheres: Dieser Schwarzflecken-Kugelfisch liegt zwischen den Korallen und… schläft!
Nun gibt es noch eine spezielle Art, das Riff zu sehen, nämlich nachts und mit Blaulicht. Und das heisst nicht, dass man mit dem Polizeiauto einfährt. Sondern: Das Blaulicht aus speziellen Lampen lässt jene Korallen und Anemonen sichtbar werden, die fluoreszieren. Sie absorbieren das Licht und strahlen es wieder zurück. Damit sehen sie aus, als würden sie von innen heraus leuchten. Es ist ein wunderbares Bild, wie ihre Strukturen im stockdunklen Riff glimmen und leuchten. Etwa so:
Hier der Unterschied zwischen “Fluoro” (bei Nacht) und normal (bei Tag):
Das war nun also ein kleiner Riff-Spaziergang vor Bohol mit Eindrücken von insgesamt fünf Tagen im Wasser. Es gibt sicher Riffe, die auf den ersten Blick mehr bieten – Schwärme, grosse Fische, Schildkröten -, dieses hier bezaubert dafür mit verborgenen Schätzen…
(c) fast alle Fotos: Piotr Pasierbek
- Schnorcheln auf den Philippinen:
Unterkunft: Amun Ini Resort bei Anda auf der Insel Bohol. Persönlich von einem italienisch-schweizerischen Ehepaar geführtes Hotel mit grossem Pool und kleiner Wellness-Abteilung. Wird vor allem von Tauchern gebucht. - Anreise: Flug mit Cathay Pacific nach Hongkong (13 Stunden), von dort weiter bis in die Stadt Cebu (3 Stunden). Mit dem Taxi zum Fährhafen (1 Stunde), mit der Schnellfähre nach Tagbilaran auf Bohol (2 Stunden) und mit dem Taxi oder Bus bis Anda (2 Stunden).
Oh wie allerwundervollst, liebe Karin. Ich liebe sie alle. Auch den Krimi um den Einsiedlerkrebs.
😉 Der Kampf im Riff. Das alles ist nur auf den ersten Blick immer so friedlich und easy…
Danke für diesen Tauchgang der Extraklasse, phantastisch! Und Grüsse an den geduldigen Jäger:-)
Merci, Franziska, die Grüsse werden gerne ausgerichtet. Blubb.
So ein Regentag wie heute fühlt sich auch ein bisschen wie ein Tauchgang, äh exgüsi ein Unterwasserspaziergang an, wenn auch nahezu nicht so farbig und wunderbar wie in Deinem Bericht, Karin 🙂 Ein erfrischender Exkurs in die Unterwasserwelt, ohne Schnorchel und ganz trocken auf dem Sofa 😉 Wobei ich auch gerade lieber in 26 C rumschwaddern würde als auf dem Sofa zu sitzen. Super Bilder, danke fürs Untertauchen! :)!
Danke, Sue! Es hat ja oft genug geregnet in unseren Ferien… Pool verwaist, Meer bevölkert 🙂
Liebe Karin, herrlich dieser Unterwasserspazottel mit Dir und Piotr! Diese bunte Fischwelt habe ich schon lange nicht mehr so vermisst wie jetzt! Und die Fotos sind einfach kult! Und Deine lustigen Fischnamen ebenso… 😍😘
Liebe Indra, ich glaube, es ist ein wenig eine Sucht… wenn man die Unterwasserwelt mal entdeckt hat, will man sie immer wieder besuchen. Nur, dass es immer schwieriger wird, intakte Riffe zu finden. Und das ist sehr traurig. Und eigentlich sollte man schön zu Hause bleiben, weil man ja selber irgendwie auch Teil des Problems ist…
Liebe Grüsse, Karin