Von wegen Barcelonas kleine Schwester: Valencia ist grössenwahnsinnig. Die drittgrösste Stadt Spaniens Valencia tischt unermüdlich auf und schöpft dabei aus dem Vollen.
Bei den Sonnentagen: 300 sind es pro Jahr. Rechne! Trotzdem wird es zumindest Anfang Juni nie drückend oder schwül, die Luftfeuchtigkeit bleibt gering, und vom nahen Meer weht immer ein Lüftchen.
Bei den Kirchen und Palästen: Es gibt sie im Überfluss, alle üppiger als üppig ausgestattet. Irgendwo wird immer eine Messe oder ein Fest gefeiert, oder wenigstens gebetet, gesungen oder gebeichtet, oder alles gleichzeitig. Den Glockenturm der Kathedrale (El Miguelete) kann man besteigen – 207 Stufen die Wendeltreppe rauf.
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El Miguelete / Glockenturm der Kathedrale
Bei den Jardins: Kaum hat es einige Quadratmeter Grünfläche, macht Valencia einen Jardin mit Bänkli und Brunnen daraus. Selbst in Mini-Pärken mitten in der Stadt reicht der Platz für anmutig angeordnete Zitronen- und Orangenbäume – und für Oleander, die fast kippen unter der Blütenschwere. Schön ist das Wandeln im Botanischen Garten, wo unzählige (gut genährte!) Katzen leben.
Bei den Kalorien: Auch fern der Tortilla und Calamares: Wer je eine Horchata (Mandelmilch) mit Fartons (Gebäck) genossen hat, wird dieses Völlegefühl nie mehr vergessen. Ach, und die Tapas! Diese Helados! Diese schlimmen süssen Teilchen! Eine Meringue ist hier so gross wie ein halber Fussball und reichlich mit Mandeln bestückt. Kein Wunder, joggen so viele.
Meringue-Kuchen (danach willst du nie wieder etwas essen)
Bei der Playa, pardon, den Playas. Hier ist nur der Plural korrekt, denn Valencia hat gleich drei davon, und alle sind sie breiter als breit. Wieso die Liegestühle allerdings schon um 18 Uhr so resolut gestapelt werden, wird uns für immer ein Rätsel bleiben. Übrigens: Der grösste See Spaniens liegt 15 Minuten entfernt im Naturschutzgebiet La Albufera.
Bei El Turia: Das leere Flussbett zieht sich wie eine grüne Ader durch die Stadt. Nachdem der Fluss vor Jahrzehnten über die Ufer trat, hat man ihn umgeleitet, das Flussbett ist geblieben. In anderen Städten hätte man es wohl seinem Schicksal überlassen. Nicht aber in Valencia, wo man einen Park – was denn sonst? – anlegte mit Rad- und Joggingwegen, Tennis-, Fussball- und Picknickplätzen und überhaupt. Vor allem abends trifft sich hier die halbe Stadt zum Joggen, Radfahren oder Gassigehen, wobei die Hunde mindestens so gut genährt sind wie die Katzen im Botanischen Garten.
Bei der »Stadt der Wissenschaften und Künste«:
Das Vermächtnis von Stararchitekt Calatrava an seine Stadt. Kostete nur gerade 1, 3 Milliarden und zieht sich über 350 000 Quadratmeter am Rand der El Turia hin. Elegant und futuristisch, das Ganze. Und man fragt sich, woher das Geld dafür kommt. Vermutlich vom Bildungsdepartement, dessen Budget um rund einen Drittel gekürzt wurde.
Bei den Radwegen: Valencia ist das Amsterdam des Südens. Das (perfekt ausgeschilderte) Radnetz führt durch die Altstadt, und dann via El Turia Richtung Hafen oder in den Norden. Bikes kann man fast überall günstig mieten. Der Verkehr in Valencia verläuft erstaunlich ruhig, kaum Gehupe, kaum Gedränge. Das liegt vielleicht an der Policia, die in der Stadt omnipräsent ist, genau so wie die Banken.
Fazit: Eleganter, schmackhafter und gleichzeitig unaufgeregter als Valencia kann man Grössenwahn kaum zelebrieren. Barcelonas Schwester weiss, wie es geht. Hasta luego!
Text und Bilder: Franziska Hidber
Weitere Bildimpressionen:
Puerta de Serranos (Torres dels Serrans) –
eines der 12 Tore in die Stadt, 14. Jahrhundert
Kuppel der wunderschönen Markthalle / Mercado Central
Tortilla de patatas, Kartoffelomelette
(in Spanien ganz ohne Zugabe von Milch oder Rahm)
Plaza de la Virgen – Kathedrale – Miguelete
Museo Nacional de Cerámica y de las Artes Suntuarias
Palacio del Marqués de Dos Aguas
9.6.2015