Mal angenommen, man wäre eine Winterthurerin, 28-jährig, habe kein Geld, viel Zeit und brauche dringend Abstand. Abstand von sich und von allem anderem auch. Vor ziemlich genau 10 Jahren war ich in dieser Situation. Mein Ausweg hiess: Jakobsweg!
Im Folgenden ein paar Eindrücke zu meiner Wanderung. Und auch das Rezept meiner damaligen Lieblingsverpflegung. Eine einfache Mahlzeit, die ich heute noch sehr gerne zubereite.
Es ist anfangs Mai im Jahr 2007. Ich bin übernächtigt, untrainiert und auch spirituell vollkommen bar jeglicher Ambition, als ich in St. Jean Pied de Port aufbreche, um die 800 Kilometer Jakobsweg unter die Füsse zu nehmen. Einen Schritt nach dem anderen. Der kleine Ort liegt in Frankreich, an der Grenze zu Spanien. Während dieser Zeit stehe ich meistens um 4.00 Uhr in der Früh auf. Ich liebe diese Stimmung, wenn die Nacht zu Ende geht und der nächste Tag beginnt. Unterwegs will ich möglichst alleine sein mit mir und meinen Gedanken, deshalb laufe ich früh los.
Durch Unterführungen und über Brücken führt der Weg fort. Die Vielseitigkeit macht den Camino abwechslungsreich. Es geht hinaus aus den Vorstädten, in ständigen Wechseln, immer weiter. Ich wandere meist alleine, nur ab und zu ein Stück weit zusammen mit anderen. Manche Peregrinos treffe ich immer wieder. So auch Brigitte aus der Schweiz. Ihre Bekanntschaft wird mein Leben grundlegend verändern. Nur weiss ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Dort vorne, irgendwo zwischen Himmel und Erde, ist mein Ziel. Dinge, die mich Zuhause beschäftigt hatten, treten mehr und mehr in den Hintergrund. Ich bin auch innerlich unterwegs, finde meinen Rhythmus.
Zu dieser Zeit war mein erstes Kochbuch »123 Rezepte« gerade erschienen und ich bot Caterings an. Ich fragte mich, ob der eingeschlagene Weg der richtige für mich war, ob ich ihn weiterverfolgen wollte. Die damaligen Gespräche mit Brigitte waren sehr wertvoll für mich. Und etwas später verband uns noch viel mehr, als der Jakobsweg. Heute, also 10 Jahre später, bin ich mit ihrem ältesten Sohn verheiratet. Mein Mann und ich haben zwei Kinder. Professionell führe ich ein eigenes Catering-Unternehmen, mein zweites Kochbuch »Querbeet« ist vor wenigen Jahren erschienen und ich betreibe einen Blog.
Wo ich heute wohl stehen würde, wenn ich dem Camino nicht gefolgt wäre?
Steine sind auf dem Camino allgegenwärtig, weisen den Weg, laden zur Einkehr ein. Wie viele Menschen waren schon vor mir hier?
Der Jakobsweg widerspiegelt irgendwie das Leben: Mal ist es heiss und der Weg ist schleppend, mühselig und tagelang über Asphalt. Dann ist es neblig oder ein Gewitter kommt mir entgegen. Oder alles ist ganz anders und Glücksgefühle überfluten mich. Abends bin ich meist zufrieden und ein bisschen stolz darauf, was ich geschafft habe.
Mit diesen Flipflops lege ich einen rechten Teil des Caminos zurück. Für die Blasen (bereits vor dem Start habe ich zwei Stück) eine willkommene Erholungspause. Leider fallen meine heissgeliebten Flipflops wohl so um den 19. Tag in einer matschigen Strecke auseinander.
Verpflegungsmöglichkeiten sind auf den Camino übrigens immer wieder zu finden. Da mein Budget knapp ist, bereite ich mein Mittagessen immer selbst zu. Lebensmittel kaufe ich unterwegs im Dorflädeli. Für die Mittagspause suche ich jeweils einen schönen, schattigen Rastplatz, wo ich die Zutaten schnippeln und den Salat verzehren kann.
Hier das einfache und vitaminreiche Rezept, das ich inzwischen mit meinen Kindern nach wie vor sehr gerne zubereite. Das Foto ist von dieser Woche. Während meiner Reise stand mir eine improvisierte Salatschüssel zur Verfügung.
Salat mit Thunfisch
Gemüse je nach Saison, Lust und Laune
Zum Beispiel:
1 grosse reife Tomate
2 Stängel Stangensellerie
1 Karotte
1 Zitrone
Frische Kräuter
1 kleine Dose Thunfisch
Salz und Pfeffer
Olivenöl
Ich geniesse die Natur, das Ziel ist nah. Das ist gut, denn langsam habe ich genug von den Unterkünften, in denen die Matratzen nicht so sauber sind, wie man sich das wünschen würde. Auch die nervtötenden Schnarchgeräusche, die oft zu hören sind, gehen mir je länger je mehr auf den Wecker. Es geht wohl nicht nur mir so. In manch einer Nacht entdecke ich Pilgerer, die auf dem WC-Boden schlafen.
Ich habe genug und denke immer mal wieder an meine Wohnung in der Schweiz. Ein Ort mit verschiedenen Zimmern, Türen, persönlichen Gegenständen.
Santiago de Compostela! Nach 29 Tagen habe ich das Ziel erreicht.
Müde, dankbar und mit grosser Zuversicht in die noch ungewisse Zukunft, gehe ich die letzten Schritte bis zur Kathedrale. Jetzt weiss ich, dass ich das, was ich wirklich will, erreichen kann. Auch diese Erfahrung wird mein Leben nachhaltig prägen.
Den Leserinnen und Lesern des Blogs wünsche ich viel Freude bei allem, was sie tun – auch beim Kochen.
Und auf ihrem Lebensweg: Buen Camino!
Text und Bilder:
Susanne Bloch-Hänseler
Geschmackssachen
Winterthur
www.susannebloch.ch
Der Beitrag mit den wunderschönen Fotos ist ein echter Aufsteller!
Herzlichen Dank liebe Ines, das freut mich sehr !
Liebe Susanne, danke für diesen sehr persönlichen Reisebericht. Da möchte Frau am liebsten sofort losmarschieren. Unterkünfte hin oder her.
Liebe Fatima, sehr gern geschehen! Freut mich zu hören, dass Frau nach dem Lesen gleich losmarschieren möchte 🙂
Sehr spannender Reisebericht vom Erleben auf dem Jacobsweg und dazu traumhafte Fotos. Und dass Dein Erleben ein so nachhaltiges war, berührt ungemein!
Für mich sind solche Strapazen aus körperlichem Grund nicht mehr möglich; früher habe ich es leider nicht gemacht.
Aber solche Berichte lassen mich über das Leben philosophieren – und das macht auch Freude!
Weiterhin alles Gute bei allen Deinen Vorhaben 🙂 !
Liebe Gudrun, übers Leben zu philosophieren, ist halt auch etwas wunderbares 🙂 Schön, zu hören, dass meine Fotos und Zeilen berühren! Ich wünsche Dir ebenfalls alles Gute und viel Erfolg bei Deinen Vorhaben.
Liebe Susanne, das habe ich jetzt sehr gerne angeschaut und gelesen und mir gefällt auch, wie unkompliziert du das Ganze angegangen bist, halt einfach an-gegangen… und “es” lief… Super!
Liebe Grüsse
Karin
Liebe Karin, vielen Dank für Deine Zeilen. Es war wohl richtig, dass ich mir im Vorfeld nicht zu viele Gedanken über allfällige Strapazen etc. gemacht habe, sonst wäre ich womöglich nicht gestartet. Ich bin jedenfalls mehr als froh, ist alles so gekommen, wie es jetzt ist. 🙂
Herzliche Grüsse,
Susanne
Toll dein Bericht, Susanne! Fotos, die persönliche Geschichte und das Rezept! Alles ein grosser Genuss! Und einmal mehr sieht man, wie gut es ist, seinen Träumen zu folgen…
Und schön, Dich und Deine Geschmackssachen kennengelernt zu haben.
Liebe Grüsse
Indra
Liebe Indra, herzlichen Dank für Deine Nachricht. Es freut mich sehr, dass die Fotos und der Bericht Freude bereiten 🙂
Mit einem lieben Gruss,
Susanne
Es ist, als wäre ich mitgewandert – so anschaulich, direkt und ehrlich. Und eine schöne Inspiration, das Abenteuer inkl. Picknick-Rezept mal zu wagen. Danke für diesen tollen Beitrag, er hat mir sehr geschmeckt!
Herzlichen Dank für das wunderbare Feedback 🙂